Aus gegebenem Anlass können wir hier und heute ein paar Dinge aus der Rubrik: „Großmutter und Großvater erzählen“ vortragen.
Keine Angst, wir erzählen nicht vom Krieg (und bitte denkt jetzt nicht: 1. oder 2. Weltkrieg!!).
Wie immer, wenn wir die Abiturientia so schön geschminkt, aufgeplustert, onduliert und gestriegelt vor uns sitzen sehen (und uns daran sehr erfreuen), denken wir daran, wie es damals war, als wir unser Abizeugnis bekamen:
Selbstverständlich kamen wir im gebatikten T-Shirt, trugen von unseren Müttern selbst verwaschene Jeans, waren ungekämmt um möglichst lapidar den „Lappen“ entgegenzunehmen.
Danach ging’s in eine Kneipe, in der wir auch vorher in geschwänzten Stunden zum Kartenspielen waren.
Das Bier kostete 45 Pfennig
wie der Liter Benzin
und die faustgroße, warme Frikadelle ebenso!
Auch während des Essens wurde selbstverständlich geraucht.
Das einzige Buch, das wir von Anfang bis Ende gelesen hatten, war der Bestseller von Dieter Korp und Gerd Hack mit dem Titel: „Jetzt helfe ich mir selbst“.
Für jedes gängige Auto gab es einen speziellen Band, und obwohl die Autos damals „Kapitän“ oder „Admiral“ hießen, benötigten wir lediglich die Ausgaben für den Käfer bzw. die Ente, vielleicht noch für den R4 (mit dem ständig durchgerosteten Bodenblech).
Wir erwarben die Autos über die Zeitungsanzeigen am Samstag und zahlten in der Regel höchstens 300.- DM – und niemand musste die Schule schwänzen um zu Jobben um das Auto zu finanzieren.
Nach zwei Wochen platzte der Motor, man bekam für 150 Mark einen fast neuen („nur 30 000 gelaufen“) auf dem Schrottplatz. Daher wissen wir, dass der Käfermotor an lediglich 4 Schrauben hing –
und der Auspuff hatte zwei Rohre, damit man den Motor besser halten konnte.
Stoßstangen waren aus Metall – deshalb hießen die so, und entsprechend parkten wir ein!
Und wenn das Auto streikte, fuhr man mit dem Oberleitungsbus. Neben dem Fahrer gab’s hinten einen Schaffner, der verkaufte Tickets, die damals noch Fahrscheine hießen. Schwarzfahren ging nicht.
Und der steckte das Geld oben in einen Kasten vor seinem Bauch, und unten kam das abgezählte Wechselgeld wie durch Zauberhand wieder raus!
In jeder Straße stand eine Telefonzelle
gelbes, geschlossenes, enges Häuschen
die betrat man mit einer Rolle 10-Pfennigstücke.
Die Eingangsfrage lautete nie: „Wo bist Du gerade“ – denn das wusste man, der andere Mensch hing nämlich an einer max. drei Meter langen Schnur im Korridor seiner Eltern –
es gab übrigens Wählscheiben, die sich drehten!
Traf man jemanden mit einem Tatoo (damals hieß das „Tätowierung“), war das zu 100% ein Mann –
entweder kam der aus dem Knast oder hatte auf einem Schiff angeheuert.
Und die FDP war damals noch eine wählbare Partei.
Das alles hat sich bis heute grundlegend verändert!
Heutzutage ist es möglich eine Facharbeit binnen Sekunden à la Guttenberg druckfertig aus dem Internet quasi in die Schultasche zu beamen, ohne dass man irgendwas vom Inhalt verstanden hätte!
Das glaub ich nicht! –
alles schon da gewesen.
Heutzutage ist es möglich, während einer Klausur von einem kleinen Gerät, das jeder in der Tasche hat, sämtliche Lösungen selbst auf komplizierte Fragen abzulesen und das gilt selbst für Fragen, die man vorher noch nicht kannte!
Das glaub ich nicht! –
alles schon da gewesen!
Ich weiß auch was: Heutzutage ist es möglich, Tetrapacks mit harmloser Aufschrift zu bekommen, in denen Feuerwasser und ähnliche Schweinereien verborgen sind!
Das glaub ich nicht! –
alles schon da gewesen!
Und ich glaube sogar, dass es möglich ist, dass einige von denen, die da unten sitzen, heute Abend mit noch einer anderen Verkleidung und einer noch einmal völlig veränderten Frisur auflaufen werden!
Das glaub ich nun wirklich nicht!
Was wir jedoch BEIDE glauben:
Ihr seid die tollste Stufe, die wir je gemeinsam hatten.
Zwar konnten einige ihren überbordenden Fleiß gut verbergen, doch hatten wir mit Euch drei sehr schöne und angenehme Jahre und eine ausgesprochen tolle Woche in der Provence!
Dafür danken wir Euch von Herzen!
© Evenschor/Andereya, Bonn 2013