(19.12.2012) Nicht alle Tage hat man als Schülerredakteur die Chance, einen Minister, ja einem ganzen Ministerium gewissermaßen auf Augenhöhe zu begegnen. Den rund 26 handverlesenen Redakteuren ist dies am 28. November 2012 im Rahmen des Projektes „Schule im BMI“ ermöglicht worden, darunter befanden sich zwei Schülerredakteure der Schülerzeitung ELSE. Der Leiter der Schulzeitungs-AG, Peer Zickgraf, führte ein Interview mit Leonard Günther, dem jüngsten Redakteur vor Ort in Berlin. Insgesamt hatten die Schülerredakteure 90 Minuten beim Minister (jede Schule zwischen 3 bis 6 Minuten). Das ganze Haus, das heißt alle relevanten Abteilungen bzw. Referate waren für die Veranstaltung eingebunden worden. Wann nimmt sich ein Bundesminister bzw. ein Ministerium schon mal so viel Zeit? Das Projekt wurde vom BMI also als Top-Thema gehandelt. Es ist auch ein besonderes Projekt, eben ein Pilotprojekt, da die Schülerredakteure in die komplette Mechanik der Öffentlichkeitsarbeit eines Ministeriums eingebunden wurden.
Peer Zickgraf: Du kommst mit frischen Eindrücken vom Projekt „Schule im BMI“ und dem Interview mit dem Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Wie geht es Dir damit?
Leonard Günther: Es war sehr interessant, ruhig und alle Schüler haben aufmerksam zugehört und die Antworten des Ministers mitgeschrieben. Ich hatte Fragen, die ich – aus Zeitgründen – gar nicht stellen konnte. Die Atmosphäre war ruhig, entspannt und auch ein bisschen lustig.
Zickgraf: Was war für Dich das Besondere?
Leo: Natürlich das Interview. Es waren zwar nur drei Minuten vorgesehen, aber ich konnte ein bisschen Zeit überziehen. Es kamen auch gute Fragen von den anderen Schülerredakteuren.
Zickgraf: Wie lauteten Deine Fragen?
Leo: Eine Frage lautete: Wie würden Sie sich persönlich als Politiker beschreiben? Der Minister antwortete, dass er bemüht sei, Probleme sauber für seine Wähler zu lösen. Meine zweite Frage lautete, welche Auswirkungen es auf mich hätte, wenn man das Internet stärker überwacht? Dazu meinte er, dass es für mich selbst keine Auswirkungen hätte. Nur wer extremistisch tätig sei und Propaganda-Seiten von Extremisten besuche, würde überwacht.
Zickgraf: Welche Fragen der Schülerredakteurskollegen haben Dir gut gefallen?
Leo: Eine Frage fand ich gut, die im Zusammenhang einer Aussage des Ministers zu Beginn seiner Amtszeit stand, nämlich dass der Islam aus seiner Sicht nicht historisch zu Deutschland gehöre: Ob er die Meinung noch immer vertrete? Ja, äußerte Friedrich
Zickgraf: Eine kritische Frage an den Minister betraf das Problem, ob zu viel Überwachung die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger beeinträchtigt. Was meinst Du: Sind wir ein Verfassungsstaat?
Leo: Bis jetzt ist es noch in Ordnung; ich werde persönlich nicht überwacht. Auf den normalen Nutzer haben die Überwachungsmaßnahmen noch nicht Einfluss.
Zickgraf: Wie war denn die Gesprächsatmosphäre mit dem Minister?
Leo: Es war sehr ruhig, das kannte ich aus meiner Klasse nicht. Ich hatte das Gefühl, es fanden sich die klügsten und ehrgeizigsten Köpfe aus ganz Deutschland zusammen, um ein Interview mit dem Innenminister zu führen.
Zickgraf: Was, meinst Du, war der Grund, warum unsere Schule nach Berlin eingeladen wurde?
Leo: Es gibt ja so viele Schulen in Deutschland, so dass ich zu dem Schluss komme, dass unsere Schule eine der besten Schulen zum Thema „Schule mit Courage“ ist. Ich glaube nicht, dass unsere Schülerzeitung bislang stark aufgefallen ist, vielleicht hat unsere Teilnahme als Schülerredakteure mit dem Profil der Schule als integrative Schule und Schule mit Courage zu tun. Ich glaube, das war ein wichtiges Auswahlkriterium.
Zickgraf: Das Thema des diesjährigen Projektes hieß „politischer und religiöser Extremismus“. Dazu hatte das Ministerium die wichtigsten Referenten und Experten zu dem Thema mobilisiert. Was nimmst Du von den Vorträgen mit?
Leo: Ich habe gelernt, dass der Linksextremismus keine große Gefahr ist. Dagegen ist der Rechtsextremismus eine drohende Gefahr. Es gab ja den Vorfall mit der NSU, die eine große Gefahr darstellt. Es gibt gegenwärtig mehr politisch als religiös motivierte terroristische Anschläge. Es sterben mehr Menschen, die Rechtsextremisten zum Opfer fallen. Deren Gewalt richtet sich gegen Ausländer , aber auch gegen deutsche politische Gegner. Die Referenten haben gesagt, dass „weiche Ziele“ wie Kaufhäuser oder Menschenansammlungen betroffen sind und dabei sterben natürlich auch deutsche Opfer.“
Zickgraf: Was hast Du zum islamistisch-fundamentalistischen Terror gelernt?
Leo Günther: Der islamische Terror wächst in unserer Region und in Bonn. Hier leben viele militante Islamisten. Der Innenminister hat selbst gesagt, dass Bonn Schwerpunkt von Salafisten ist. Diese Nachricht fand ich schon schockierend!
Zickgraf: Welche Anregungen nimmst Du für Deine Arbeit als Schülerredakteur mit nach Hause?
Leo: Ich habe ein großes Interview geführt, natürlich wird das auch groß erscheinen.
Zickgraf: Hast Du jetzt eine konkretere Idee, was es heißt als Schülerredakteur zu arbeiten?
Leo: Ich sehe meine Rolle darin, zwischen den Schülern und der Schule politisch zu vermitteln. Als Schülerredakteur muss man wahrnehmen, was in der Schule ist, beispielsweise muss man wissen, was die Schulsanitäter machen. Das betrifft genauso die Streitschlichter. Das Neueste muss man immer auch kritisch sehen und nicht immer positiv darstellen. Man muss es mit Blick auf die Schülerinteressen hinterfragen.
Zickgraf: Wie hast Du die Atmosphäre im Ministerium empfunden?
Leo: Das Ministerium war sehr groß und modern. Man traf immer wieder Mitarbeiter des Ministers. Wir waren die meiste Zeit im Besucherzentrum und dort war es sehr ruhig und geräumig.
Zickgraf: Was hast Du über die Arbeit im Ministerium gelernt?
Leo: Es ist sehr komplex und es gibt viele verschiedene Leute, von deren Arbeit es abhängt, was der Minister sagt, wenn er vor die Presse oder vor Leute tritt. Damit der Minister handeln kann, müssen hunderte Leute für ihn tätig werden. Für eine Pressekonferenz muss der Raum für die Journalisten vorbereitet werden. Dann muss eine Reihenfolge gemacht werden: Wer kommt wann an die Reihe und wie viel Zeit steht zur Verfügung, damit man nicht noch um Mitternacht da sitzt. Es gibt natürlich noch viel mehr Aufgaben.
Zickgraf: Wofür steht aus Deiner Sicht der Minister?
Leo: Er ist konservativ und gegenüber dem Islam recht kritisch eingestellt. Das Internet birgt für ihn mehr Gefahren als Chancen. Er ist dafür, es mehr und mehr zu überwachen. Er will die Anonymität im Internet aufheben, um Extremismus zu bekämpfen. Das finde ich nicht so gut.
Zickgraf: Der Minister hat aber gesagt, das Internet sei für ihn ein neutrales Medium, entscheidend sei, was die gesellschaftlichen Gruppen daraus machen. Wie passt das zu Deiner Einschätzung?
Leo: Meiner Meinung nach hat er sich immer wieder rausgeschlängelt, weil er in anderen Interviews sich dafür einsetzte, das Internet stärker zu überwachen. Ich bin der Meinung, wenn er das Internet sehr stark bewacht, irgendwann auch meine Daten ausgespäht werden.
Zickgraf: Was hat Dir am Minister gefallen?
Leo: Er war freundlich, gelassen und persönlich sehr nett. Er hat die Fragen auch gut und ausführlich beantwortet. Außerdem durften wir ein paar zusätzliche Fragen stellen.
Zickgraf: Was nimmst Du für die Zukunft mit?
Leo: Ich wollte schon immer in Richtung Journalismus und Schreiben gehen. Der Termin beim Minister war eine zusätzliche Bestätigung meiner Ziele. Die Arbeit macht mir Spaß und deshalb will ich das weiter machen!
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Zwei Hinweise des BMI:
Es wurde von Herrn Selen ausgeführt, dass islamistische Kreise (und nicht Rechtsextremisten) nunmehr auch „weiche Ziele“ wie Kaufhäuser in ihren Fokus nehmen. Dabei sind jedoch in Deutschland in diesem Zusammenhang bislang keine Todesopfer zu verzeichnen.
Beim Rechtsextremismus und beim Islamismus ist die Gefahr tödlicher Attentate größer als beim Linksextremismus. Allerdings wurden von Linksextremisten mehr Gewalttaten wie Körperverletzungen registriert und speziell die Zahl von Übergriffen gegen Polizisten ist deutlich höher.